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Fediverse-Check: Hält es, was es verspricht?

Nach dem Fediverse-Einstieg folgt hier das Resümee für den privaten und professionellen Bereich: Welche Hürden das Fediverse mit sich bringt, wo ich als Nutzerin scheitere – und warum ich weiterhin lieber auf klassische Plattformen setze.

Inhalt

Zugeschnitten auf Sie

Zu diesem Thema biete ich Workshops an - maßgeschneidert auf Sie, Ihre Organisation, Ihr Unternehmen.

Nachdem ich im ersten Teil erklärt habe, was das Fediverse ist, wie es funktioniert und wie man praktisch einsteigen kann, folgt nun mein professioneller und persönlicher Blick auf die Grenzen und Herausforderungen – aus der Perspektive einer Marketing-Expertin mit viel Erfahrung für Kundinnen und Kunden auf den klassischen Plattformen und privat als Social Media-Enthusiastin.

Was unterscheidet nun das Fediverse von Facebook, Instagram, X und YouTube?

  1. Zentrale Kontrolle vs. dezentrale Community

  • Klassische Plattformen (Facebook, Instagram, X):
    Ein einzelnes Unternehmen steuert Server, Datenschutz, Moderation und Algorithmen. Nutzerdaten fließen in zentrale Datensilos.
  • Fediverse:
    Jede Instanz ist eigenständig. Es gibt nicht „die eine Firma“, sondern viele Betreiberinnen und Betreiber. Oft wird mehr Mitspracherecht bei Regeln und Moderation versprochen.
  1. Datenhoheit und Werbung

  • Facebook & Co.:
    Inhalte werden systematisch ausgewertet für Werbung, personalisierte Feeds und Monetarisierung. Tracking ist allgegenwärtig.
  • Fediverse:
    Werbung und Tracking sind selten oder fehlen komplett. Viele Instanzen finanzieren sich durch Spenden oder Mitgliedsbeiträge, nicht durch Datenhandel.
  1. Bedienung und Reichweite

  • X (ehemals Twitter):
    Algorithmische Timeline, Fokus auf schnelle News, Hashtags, Retweets. Reichweite oft sehr groß.
  • Mastodon & Co.:
    Chronologische Feeds, Hashtags funktionieren ähnlich, aber Gesamtnetzwerk ist kleiner; das heißt natürlich weniger Reichweite. Dafür erreicht man gezieltere Communitys, die sich aber oft sehr einig sind in puncto Weltanschauung und Interessen.
  • YouTube:
    Zentraler Hosting-Service, starke Monetarisierung und Empfehlungs-Algorithmen.
  • PeerTube:
    Jeder Host speichert Videos selbst, Communities erzeugen Reichweite. Kein zentraler Empfehlungs-Algorithmus.

 

Warum ich die „klassischen“ Social Media-Plattformen bevorzuge

Dazu gibt es eine kurze und eine lange Antwort. Ich freue mich auch über Feedback dazu. Starten wir mit der kurzen Antwort:

Kurzes POV: Das spricht gegen Social Media im Fediverse

Reichweite & Sichtbarkeit

Facebook, Instagram oder X haben Hunderte Millionen Nutzerinnen und Nutzern. Für viele Unternehmen und Influencer sind diese Reichweiten unschlagbar. Doch selbst die größte Mastodon-Instanz hat nur wenige hunderttausend aktive Accounts.

Komfort & Features

Die großen Plattformen bieten ausgereifte Smartphone-Apps, Story-Funktionen, integriertes Advertising und detaillierte Analytics. Im Fediverse gibt es noch keine vergleichbaren Marketing-Toolchains oder automatisierte Kampagnen. Für die Anwendung im Unternehmensbereich ist das nicht von Vorteil.

Workflow-Integration

Wenn Auftraggeber bereits Budgets für Facebook Ads oder YouTube Ads haben, lassen sie sich nur schwer motivieren, für ein Fediverse-Experiment Ressourcen bereitzustellen. Es fehlen etablierte Schnittstellen zu CRM und andere Marketing-Werkzeuge.

Aus diesen Gründen empfehle ich Auftraggebern bisher nicht das Fediverse, weil ich noch keinen Bedarf für z. B. eine Nischen-Community gesehen habe. Vielleicht wäre das prospektiv eine spannende Alternative, unter der Bedingung, dass wirklich klar dargelegt, wer die Instanzen und Server betreibt und wie der Umgang mit den Daten ist. Das ist ein Kritikpunkt, den ich im Folgenden noch ausführen möchte.

 

Warum mir YouTube & Co. lieber sind und was vielleicht doch nicht so ganz wasserdicht am Fediverse ist

Case Study: Ein geeignetes Video auf der YouTube-Alternative suchen

Wenn ich YouTube aufrufe, mache ich eine Seite auf, gebe ein, was ich sehen will – zum Beispiel „home workout cardio“ – und finde viele verschiedene Videos dazu. Ja, mit Ads dazwischen, aber die Auswahl und Qualität ist meist sehr gut. Habe ich eins gefunden, das mir zusagt, kann ich auf den YouTube-Kanal klicken, diesen abonnieren und weitere Videos der Person ansehen, geordnet in Playlists. Alles easy.

Versuche ich dasselbe auf PeerTube, scheitere ich zunächst an der nicht vorhandenen Basis-Seite. Nach einigem Herumprobieren landete ich auf https://joinpeertube.org/browse-content oder https://sepiasearch.org/ und konnte nach den Cardio-Workouts suchen mit „home workout cardio“. Dazu habe ich 5175 Treffer gefunden, die mir anscheinend chronologisch angezeigt werden. Es ist nun schwierig und zeitintensiv, mich durch Tausende von Videos zu klicken. Wie kann ich beurteilen, welche gut sind?

Auf YouTube sehe ich, dass Videos viele Views haben – das kann ich z. B. als Kriterium für die Qualität anlegen; das ist auf PeerTube anders. Nach einigem Herumklicken wurde mir dann anhand des Beispiels, das ihr oben im Screenshot seht, klar: Das Konto hinter dem Video heißt 3MoreReps Workouts, dieses wiederum kann verschiedene Kanäle haben. Beides liegt auf der Instanz bzw. dem Server makertube.net. Im Profil erfährt man, dass die Kontoinhaberin auch auf @veganism.social in Mastodon zuhause ist. So weit, so gut. Wenn die Videos taugen, kann ich ja hierbleiben.

Problem: Sobald ich ein Video in den Suchergebnissen bei SepiaSearch angeklickt habe, lande ich in der entsprechenden PeerTube-Instanz. Die integrierte Suchfunktion greift dann auch nur innerhalb dieser Instanz – oder sogar nur im Konto, das ich mir gerade ansehe. Um weiterzusuchen, muss ich wieder raus auf die o. g. Suchseite, da es keinen Algorithmus gibt, der mir ähnliche Videos anzeigen würde.

 

Fediverse als Informationsquelle

Nun will ich mich im Fediverse politisch informieren. Klar findet man die Tagesschau und große Blätter, aber ich finde es immer schön, Infos auch direkt von der Quelle zu beziehen – vielleicht also von den Parteien selbst. Gerade wenn Skandale in der Presse laut werden, interessiert mich die Geschichte dahinter – genuine Darstellung und Gegendarstellung. Also machte ich mich auf die Suche und stellte fest: Das Fediverse ist tendiert zur politischen Linken in Deutschland. Das spiegelt sich nicht nur in der Präsenz der Parteien (Linke, Grüne, SPD – ansonsten habe ich wenig bis gar nichts gefunden) wider, sondern auch in der Hashtag-Suche.

Dort stellt man schnell fest, dass auch Privataccounts, die sich politisch äußern, kaum eine abweichende Haltung haben – die oft sehr polemisch vertreten wird. Ich bin auch direkt auf eine Desinformation aufmerksam geworden, die ich gerade erst selbst recherchiert hatte, die aber – nach allem, was ich gesehen habe – im Fediverse sehr einseitig weitergetragen wurde, unkorrigiert.

Das Schöne am Fediverse ist wirklich, dass es keine „Informationspolizei“ gibt wie bei großen Unternehmen (bzw. wie sie für diese oft sogar noch mehr gefordert wird – denn als Zuckerberg die sog. Faktenchecks in den USA abschaffte, war der Aufschrei hierzulande ja groß). Aber komischerweise habe ich trotzdem (noch?) kein breites Meinungsspektrum entdecken können. Das ist nicht meine bevorzugte Art, mich möglichst umfassend zu informieren.

 

Sind Server und Instanzen wirklich unabhängig und im Datenschutz unbedenklich?

Server und Instanzen sind unabhängig und deswegen ethisch empfehlenswert – soweit das Narrativ und ich gehe mit, den Ansatz als unterstützenswert anzuerkennen. Dann sehe ich mir als Beispiel die mastodon.bayern-Instanz an: Dort ist „Prinz Ludwig @kini“ der Verwalter. Was ich über ihn weiß? Nichts. Was ich über den Server weiß, den er betreibt? Auch nichts.

Also schaue ich weiter zu franken.social. Unter https://franken.social/about erfahre ich mehr über den Verwalter. Auf seiner Website https://www.martinhaseneyer.de/ stehen sogar weitere Infos: Wir haben es hier mit einem BI-Spezialisten, Software-Entwickler, Trainer / Dozent aus Erlangen zu tun. Sympathisch eigentlich. Einer von „hier“ – nicht aus dem fernen Amerika. Und hoffentlich auch einer, der den Server so ethisch verwaltet, wie man es sich auf Mastodon erhofft.

Kontrollieren kann ich es aber nicht. Durch die geringe Relevanz solcher Server wird greift hier auch der DSA (Digital Services Act) nicht, es gibt also keine Kontrolle von außen. Ich muss mich einfach darauf verlassen, dass alles seine Richtigkeit haben.

 

Am Ende bleibt mir, mich bei allen, die so lange dabei geblieben sind, zu bedanken. Ich freue mich über Anmerkungen und Feedback.

Falls jemand nochmal zum Einstieg ins Fediverse zurück möchte, klickt bitte auf diesen Beitrag: 
Fediverse Teil 1: Was ist das Fediverse und wie komme ich da rein?

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